Am 05.10.2017 haben wir in Freiburg einen Gesprächsabend zum Thema „Demontage der Demokratie in Polen“ mit Katarzyna Nalewajko veranstaltet. Die Referentin berichtete sehr fundiert und vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Erfahrungen über die Situation in Polen. Sie arbeitete während den letzten Monaten in Warschau für das European Council on Foreign Relations und hat dort die jüngsten politischen Entwicklungen in Polen aus nächster Nähe miterlebt.
Die Idee zu dieser Veranstaltung war angesichts der Versuche der PiS-Partei entstanden, die Judikative unter ihre Kontrolle zu bekommen. Sie fand dann kurz nach der Bundestagswahl unter dem Eindruck des starken AfD-Ergebnisses statt, durch das nun zum ersten Mal seit über 70 Jahren eine zumindest in Teilen offen rechtsextreme Partei in den Bundestag einziehen wird. In dieser Situation erschien es für uns besonders angebracht, auch einen genaueren Blick nach Polen zu werfen, wo wir sehen können, wie Anti-Demokraten, wenn sie an die Macht gelangen, das demokratische System verändern und aushebeln können.
Aus dem Gespräch mit Frau Nalewajko und der anschließenden Diskussion entwickelten die TeilnehmerInnen Ideen, wie wir die Demokratiebewegung in Polen unterstützen können, welche Optionen sich bieten, um den antidemokratischen Bestrebungen entgegen zu treten und welche Rolle hierbei die EU spielen könnte.
Hier die Ergebnisse aus dem Gespräch:
Wir haben den Eindruck, dass der Aushebelung der Demokratie in unserem EU-Nachbarland Polen zu wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht wird.
In der EU fehlt es nach unserer Einschätzung an einer Instanz zur Überwachung der Rechtsstaatlichkeit, die über alle Länder in der EU hinweg regelmäßige Berichte erstellt. Es fehlt zudem an einem Automatismus mit Maßnahmen bei der Verletzung der EU-Richtlinien. Sanktionen können bei Abstimmungen durch Vetos leicht verhindert werden – hier sehen wir die EU als demokratisches System als zu instabil. Um einem Bruch der Rechtstaatlichkeit, wie es in Polen passiert, entgegenwirken zu können, sollten automatische Sanktionen ohne Vetomöglichkeit der einzelnen Staaten in den Verträgen verankert werden.
Die EU finanziert zivilgesellschaftliche Demokratieinitiativen außerhalb der EU mit gut ausgestatteten Programmen. Angesichts der demokratischen Krise der EU selbst, sehen wir die Zeit gekommen, finanzielle Unterstützungen nicht nur den jeweiligen Landesregierungen zukommen zu lassen, sondern auch direkt der (z.B. polnischen, dringend darauf angewiesenen) Zivilgesellschaft und den demokratischen Initiativen im Land. Neben finanzieller Unterstützung ist auch die Unterstützung eines inhaltlichen Austauschs und ein Transfer von Knowhow unabdingbar, um die Stabilität innerhalb der demokratischen Bewegungen zu fördern.
Es ist uns sehr aufgefallen, dass wir hauptsächlich negative Narrationen über unsere EU-Partner entwickeln. Erst persönliche Kontakte oder Reisen können diese Entwicklung zum Teil verändern. Wir sehen auch die Politik in einer starken Verantwortung, den Aufbau negativer Narrative nicht zur Durchsetzung politischer Ziele zu missbrauchen, sondern im Gegenteil – bei aller Notwendigkeit zur kritischen Auseinandersetzung – wertschätzende Perspektiven übereinander in den Vordergrund zu stellen.
Um Europa aus der Starre zu befreien, könnte eine Neugründung unumgänglich sein. Zumindest scheint uns eine grundlegende Demokratisierung Europas unumgänglich, sonst droht es zu zerbrechen.